Szenische Lesung zu allen Lebensfragen Hintersinnige Texte genialer Autoren, lieblich-verstörende Klänge und todsichere Lebenstipps
Während zwei windige Typen, Fred und Hermann, den Weg zum Erfolg in drei Schritten propagieren – besser gesagt: dem Publikum ihre Glücksseminare und andere Rezepte zu verkaufen versuchen –, graben zwei Bibliothekarinnen, Irma und Berta, in den Tiefen der menschlichen Seele. Sie schleppen stapelweise Bücher aus dem Keller und finden darin Texte über das Leben, die Ängste und Sehnsüchte der Menschen.
Durch diese beiden Handlungsebenen werden die komplexen Texte von vier Autor*innen einer schnelllebigen, oberflächlichen Marketingwelt gegenübergestellt. Das verleiht der Lesung Leichtigkeit und Humor; andererseits bleibt dem Publikum das Lachen zwischendurch im Halse stecken, wenn plötzlich der Blick in menschliche Abgründe frei wird.
Die Verschiedenheit der beiden Ebenen wird dadurch unterstrichen, dass Fred und Hermann mit lebensgrossen Puppen, die Bibliothekarinnen dagegen von den Schauspielerinnen selber gespielt werden.
Der Musiker Urs Sibi Sibold begleitet und vertont die Lesung mit seinem Saxophon und einem nicht alltäglichen Instrumentarium aus Alltagsgegenständen.
Spiel: Anna Karger und Delia Dahinden Textdramaturgie: Anna Karger Puppenbau: Delia Dahinden Live-Musik: Urs Sibi Sibold
Pressetext: Hintersinnige Texte genialer Autoren, lieblich-verstörende Klänge und todsichere Lebenstipps. Während Fred und Hermann den Weg zum Erfolg in drei Schritten propagieren, graben zwei Bibliothekarinnen in den Tiefen der Seele. Und wenn sich der Blick in die menschlichen Abgründe öffnet, empfiehlt es sich, schwindelfrei zu sein.
ALF – Rufen Sie an, wir bringen Ihr Leben auf Vordermann!
Die Uraufführung fand im Rahmen des TAKT IM STOK – Festivals von 3-8. November 2015 in Theater STOK statt.
Simple Antworten, tiefgründige Texte
Dakar-Produktion lud zu einem Glücksseminar: Durch zwei Bibliothekarinnen, die den simplen und abgedroschenen Antworten des Seminars hintersinnige Texte entgegensetzten, wurde es ein vergnüglicher Abend.
Müsste man das Theater «ALF – Arbeit, Liebe Freizeit» von Dakar-Produktion (Delia Dahinden und Anna Karger), welches
Schauwerk – das andere Theater am Freitagabend im gut gefüllten Keller des Haberhauses zeigte, mit einem Wort beschreiben, so wäre das: vielschichtig. Und das gleich auf zwei Ebenen: Zum einen bot der Abend eine Vielzahl der Darstellungsmöglichkeiten, die auf einer Theaterbühne möglich sind: Figurentheater, Schauspiel, Lesung, Gesang und Musik (Urs Sibi Sibold spielte Saxofon und diverse Alltagsgegenstände). Zum anderen bot das Theater auch auf der inhaltlichen Ebene verschiedene Schichten: Das Figurentheater machte die
Zuschauerinnen und Zuschauer im Haberhaus zu den Teilnehmenden an einem Glücksseminar. Zwei schmierige
und grosskotzige Kerle warfen nur so mit Motivationsfloskeln sowie englischsprachigen Ausdrücken wie «self-knowing» oder «self-optimization» um sich und schienen für alle Probleme und Herausforderungen des Lebens eine scheinbar einfache Antwort bereit zu haben. «Das Glück ist ein Muskel», hiess es da zum Beispiel. Wäre das die einzige Handlungsebene gewesen, es wäre ein unerträglicher Abend geworden.Doch hier kam dann – zum Glück – die zweite inhaltliche Ebene ins Spiel: Immer wenn Hermann und Fred wieder eine der grossen Lebensfragen mit scheinbarer Leichtigkeit beantwortet hatten, betraten zwei Bibliothekarinnen die Bühne. Beide brachten dabei immer eine Menge alter Bücher mit. Bücher, aus denen sie vorlasen und so versuchten,
mit Texten von Thomas Bernhard oder Michel Houellebecq einen Gegenpol zu den simplen Antworten des Glücksseminars zu bilden. Besonders gelungen war die Gegenüberstellung in Sachen Liebe: Auf die Flirttipps folgten Texte, welche die Langeweile des Beziehungsalltags schilderten oder die Gründe für das Zusammensein
mit dem Partner auf das rein Materialistische reduzierten. Auch der Block zur Individualität von Hermann und Fred wurde durch einen Text zur Marktforschung – bei der es ja gerade darum geht, Verallgemeinerungen zu
machen, um beispielsweise gezielt Werbung schalten zu können – gekonnt unterlaufen. Allerdings waren die Bezüge von gelesenen Texten und dem Seminar nicht immer ganz so offensichtlich wie in den genannten Beispielen. Und da das Tempo den ganzen Abend über sehr hoch war, auf einen Text schon der nächste folgte, hatte man keine Zeit, nachzudenken oder den versteckten Bezügen nachzuspüren. Nichtsdestotrotz war es ein unterhaltsamer und vielschichtiger Abend, in dessen Verlauf klar wurde, dass es auf die grossen Fragen des Lebens (zum Glück) keine einfachen Antworten gibt.
(Daniel Lay)